Freitag, 31. Januar 2014

Traumwelten

Hallo aus dem noerdlichen Argentinien. Wir befinden uns nicht mehr weit zur bolivianischen Grenzen im Norden und der Himmel ist oft sehr durchwachsen von Wolken. Es scheinen wohl Ausleger der Regenzeit von Bolivien  zu sein.
In den Monaten von Jannuar bis ca. April sollte man regenfest sein. Daher reisen wir sehr gemuetlich in noch trockenen Gefilden was uns schon mehrmals belohnt hat.
Die Gegend um Salta hatte uns sehr gut gefallen und wir konnten von schoenen bis zu atemberaubend schoenen Strassen unter die Raeder kriegen.

An die Biker: die Strecke von Salta nach Cachi ist traumhaft, wer aber zu solch einer aussergewoehnlichen Mutter Natur noch ein ganzes Stueck mehr Abenteuer haben moechte dann war die Strecke von Cachi nach San Antonio de los Cobres ein Prachtstueck.
Doch informiert euch vorher ueber das Wetter da die Piste bei Regen ganz schoen weggespuelt sein kann. Wir hatten trockenes Wetter und trotzdem galt es viele recht stroemende Flusslaeufe zu ueberwinden. Bei der ersten Wasser-Durchfahrt hatten wir erstmal mit Zweigen versucht rauszufinden wie tief das stroemende Nass am tiefsten Punkt ist. Das hat nicht funktioniert, die Zweige waren nicht stark genug ;)
 Man koennte nun auch auf ein Auto warten um zu sehen wie hoch das Wasser steht, doch uns schwante schon dass wohl keines kommen wird. Also Schuhe ausziehen und durch den kalten Fluss durchwaten. Das Wasser war gerade noch okay mit der Obergrenze an den Knien wenn man den richtigen Weg waehlt. Ist schon etwas unheimlich einfach draufloszufahren. Man faehrt ja quasi blind da man den teils sehr unterwaschenen Boden und die vielen Hindernisse nicht sieht.
 Meinen Herzschlag foermlich hoerend stand ich dann nach Demian erfolgreich auf der anderen Seite. Aber wie sich zeigte war das nur der Anfang. Einige Fluss-Querungen spaeter spruehten wir vor Adrenalin :)

Aber wie gesagt, bei Unwetter und Regenfall muss das ganz schoen unangenehm sein dort.
Es waere auch schade die unglaublichen Farbkonstellationen verregnet zu sehen. Das Gruen mancher Flora war so grellleuchtend dass man es kaum glauben kann. wWie von Neonleuchten beschienen.  Dabei windet man das Paket von Motorrad und Mensch hoeher und hoeher durch schmale Schotterstrasse die einer Achterbahn in nichts nachsteht.
Kaum Fahrzeuge passierten uns und die ein, zwei Autos die sich doch trauten machten grosse Augen bei unserem Anblick. Die Strecke fuehrt so hoch dass es von heiss ploetzlich kalt wird. Das Schild am Scheitelpunkt, dem Pass, spricht von ueber 5000 Meter Hoehe.
Da auf unserer weiteren Reise irgendwann mal La Paz  (bewegt sich im gleichen Hoehenbereich) auf dem Plan steht, waren wir schonmal erleichtert dass keinem unserer Gefaehrte sprichwoertlich die Luft ausging. Wenn auch nur knapp :)

Da wir beim "Abstieg" ja nun schon den ganzen Tag von Schotter durchgeruettelt wurden hatte ich dann nicht bemerkt dass mein Vorderrad Luft verlierft. Der vibrierende Griff am Lenker und die Ausgleichbewegungen fuer die Beibehaltung der anvisierten Richtung fuehlten sich schon so normal an. Wie sich heraustellte aber hatte der Platten am Vorderrad gehoerig dazu beigetragen.
Erstaunt und dankbar fuer die trotzdem gut gegangene Fahrt durch die vielen Serpentinen haben wir kurzerhand den Reifen etwas mit Luft versorgt um ein paar Kilometer weiter unten an besser geeigneten Plaetzen den Schlauch zu wechseln.
In der Ferne faerbte sich der Zenit grau und Blitze warnten vor einem moeglichen Unwetter. Doch auch hier wurden wir von Schlimmerem bewahrt. Wir waren nur noch 20 Kilometer vom Ziel entfernt, wollten aber zu spaet werdender Stunde nicht noch muehsames Hosteria-suchen auf uns nehmen.

Sogar mit einem schnell gefundenen Uebernachtungsplatz wurden wir belohnt. Was fuer ein Tag! Wahnsinns Strecke die in so manchen Motorradzeitschriften wohl als sehr herausfordernd betitelt werden wuerde. Und das so gut wie fuer uns allein durch wahnsinns Natur.
Ganz typisch fuer diese Hoehen aenderte sich das Wolkenbild am Himmel im Minutentakt. Eine wunderbare Wolken-konstellation wollten Demian fotografieren, aber 10 Sekunden spaeter mit der Kamera in der Hand war der Moment schon verflogen.
Stets waren wir darauf gefasst eventuell von der einen auf die andere Sekunde in einem Gewitter zu stehen. Aber wir wurden verschont und die Blitze in der Ferne zogen mehr an uns vorbei. Dann der platte Reifen, die duenne Luft,.... Wow, action konzentriert auf weniger als 10 Stunden.



Am nächsten Morgen wurde uns dann bewusst, was für ein schönes Plätzchen wir hier eigentlich hatten für unseren Schlafplatz. Obwohl gerade mal 5 Meter neben der Strasse waren wir Mitten im Grünen. Die Strasse selbst hatten wir gar nicht als solche wahrgenommen, so wenig befahren. Lediglich zum Aufwachen hörten wir ein Moped vorbeirattern.

In San Antonio des los Cobres hatten wir dank einer Touristeninfo schnell ein Zimmer gefunden. Es gab mehr Unterkünfte in besserem Zustand als erwartet. Wir haben wohl zuviel den ganzen Internet-Informationen glauben geschenkt.

Da der Ort nun wirklich nicht das Prädikat „sehenswürdig“ verdienen würde war es ein durch und durch ursprüngliches und authentisches Dorf. Ein Dorf von Bergleuten, von „mineros“ die allesamt indigene Gesichter oder zumidest Gesichtszüge hatten.
Gerade das hat mir dort gefallen. Ein Gefühl, wenn man sich irgendwie angekommen fühlt. Nicht ein weiterer Punkt auf der Landkarte wo man gewesen sein muss und sich danach fragt wieso. Sondern ein Ort wo man auf der Strasse nur Einheimische trifft und weiss, ich gehe hier einkaufen wo sie es auch tun. Man ist irgendwie mehr mittendrin im richtigen Leben.
Ein Dorf wo ich nicht in einen halbwegs grossen Supermarkt gehen kann um Brot, Gemüse und Senf zu kaufen. Nein, für jeden Posten muss man in einen anderen Laden: die panaderia fürs Brot, die verduleria und fruteria fürs Gemüse und Obst sowie einen kleinen Almacen oder Kiosko für den Rest wie eben Senf oder Käse. Wenn wir noch Fleisch wollen müssen wir zusätzlich für eine carniceria Ausschau halten. Ich sags ja: authentisch. Und oft auch zeitfressend. Aber was haben wir wenn nicht Zeit?

Natürlich werden wir aber angeglotzt. Wie immer. Manchmal stört es mich sehr und manchmal gar nicht.

Was hier noch sehr besonders war: die Höhe. Das Dorf liegt plus minus auf 3000 Meter. Da merkten wir schnell wie schwer Atmen sein kann.
Natürlich haben wir das vorher schon gewusst. Wir hatten einen groben Plan über diese Route die uns am nächsten Tag über den Paso Sico führen soll. Da die Höhenkrankheit nicht zu unterschätzen ist haben wir uns gut informiert. Beispielsweise dass kurze Aufenthalte über 5000 Meter nicht gefährlich sein sollten, man aber für Übernachtungen auf unter 3000 Meter bleiben soll. Es gibt natürlich Medikamente die man aber schon prophylaktisch nehmen muss (und wir keine Lust drauf hatten) und es gibt die Koka-Blätter.
Diese Blätter die es vorallem in den Hochebenen Argentiniens, Boliviens und Perus gibt stopft man sich wie Kautabak in die Backen. Mit der Zeit verstärkt sich der herbe Geschmack und angeblich auch das dumpfe Gefühl im Mund. (So lange und in solchen Mengen hatten wir es bisher noch nicht ausprobiert ;)) Jedenfalls soll es ein Naturmittel gegen die Höhenkrankheit sein.
Wir haben in den letzten Tag einige Männer gesehen mit grünem Mund und dumpfem Hirn. Ich würde es also wirklich mit Kautabak vergleichen. Mit etwas mehr Nebenwirkungen was das bewusste Dasein betrifft.
Wenn man micht fragt, sind hier viele Menschen richtiggehend abhängig davon.

Uns jedenfalls plagten schon den ganzen Tag Kopfschmerzen und Müdigkeit. Wir sind aber nicht an Koka gekommen (angeblich soll es nicht ganz legal sein hier....) aber eine sehr nette Empanada-Köchin hat uns etwas von ihrem „Heil-Tee“ gegeben. Auch irgendwelche Pflanzen die Wunder bewirken sollen. Wir haben uns am nächsten Tag tatsächlich besser gefühlt (oder es uns zumindest eingeredet :))

Der nächste Tag:
Tja, die Pläne über den Paso Sico nach Chile zu fahren um die Atacama Wüste zu sehen haben wir recht schnell platzen lassen.
Schon die ersten paar Kilometer wurden wir von Wellblech-Pisten der übelsten Sorte so durchgerüttelt dass die Laune im Sekundentakt sank.
Zusätzlich hat diese fiese Wellenformation des Stein-Sand Belags der Piste wohl Demians Werkzeughalter unterhalb der Sitzbank aufgerüttelt.
Er hielt an weil er ein metallisch klirrendes Geräusch vernahm und wir hatten die Bescherung: schon der ganze Behätler war leer und nur 2 von ca. 10 Werkzeugen waren in Sichtweite auf dem Boden. Also fuhren wir einige Kilometer in Schritttempto die quälende Strasse zurück. Schlussendlich haben wir alles bis auf zwei Teile (einen 10-er Schlüssel und leider eine gute kleine Ratsche) wieder gefunden. Das hat die Laune natürlich nicht gerade gehoben und wir haben es als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Schon soviele Zweifel wurden von uns bezüglich dieser Route beiseite geschoben. Das war nun das Tüpfelchen auf dem i. Wir hatten das Gefühl wir sollten unseren Plan ändern.

Nicht wegen einer schwierigen Strasse, sondern aus Gründen wie: Streckendistanz von der Steigung bis zur Runterfahrt in erträgliche Höhen, die fehlenden Tankmöglichkeiten und besonders das Ende der Odysse: die Stadt San Pedro de Atacama die uns nicht wirklich anzog. Überhaupt würden wir lieber die Salzwüste Uyuni in Bolivien sehen statt die Atacama Salzwüste.
Da wir nun mit Muse reisen und somit die Regensaison dort umgehen ist dieses Vorhaben wieder in machbare Dimensionen gerückt.

Also sch... auf die sch... Wellblechpiste, den Paso Sico und die Atacama.
Die können wir eigentlich auch später noch machen.

Wir machten also Kehrt, passierten nochmal das Minendorf und verliessen es in anderer Richtung. Nord-oestlich ging es auch hier einige Zeit ueber Schotter und Wellblech, wenn auch nicht so hart.
Auch diese Strecke war kaum befahren und die Guanacos, Lamas und Esel glotzten einjedesmal ihre Augen aus dem Kopf. Die Lamas tragen so viel Wolle am Leib dass man am liebsten mal kurz kuscheln gehen wuerde. Aber wir wollen ja nicht unbedingt angespuckt werden :)

Dann trat ein grell-leuchtender heller Streifen in der Ferne auf. Die grossen Salinen. Eine "kleine" Salzwueste bzw. Salzminen. Nach einiger Zeit des nebenher Fahrens wollten wir Fotos schiessen und nahmen Kurs direkt auf das Salz-verkrustete Feld. Es muss Tage zuvor geregnet haben da die Raender tueckisch feucht waren, aber zu Fuss wars kein Problem.

Die naechsten Tage wurde diese Salz-See Erfahrung noch geraecht. Aber dazu gleich.

Wenige Kilometer spaeter konnten wir endlich wieder ebenen Boden befahren und folgten dieser asphaltierten Strasse einer weiteren wunderschoenen Strecke mit mehrfarbigen Gebirgen  Richtung Routa 9. In meinen Traeumen koennte ich mir solch eine Farbvariation nicht vorstellen.

Natuerlich ist genau deswegen (und der leicht befahrbaren Teerstrasse) diese Route um diese Taeler und Berge touristisch sehr bekannt. In Purmamarca waren die Camps und Hostels bis zum platzen gefuellt. Wir haben nur kurz die Kamera gezueckt und fuhren weiter durch das "sieben-Farben-Tal" nach Tilcara.

Nach einer Nacht im Zelt auf einem Party belagerten Campingplatz haben wir lange nach einem freien Hostel gesucht. Auch hier war alles voll. Beim letzten Hostel wollte ich schon kehrt machen da zu teuer.
Auf meine noch vorsichtshalber gestellte Frage ob man Motorraeder sicher parken kann hat mir der Kerl aber einen Deal vorgeschlagen.
Er und Kollegen bauen gerade eine Internetplattform mit Toureninformationen auf. Sie benoetigen hierfuer noch gute Berichte ueber schoene Plaetze und Strassen in ganz Argentinen.
Zwei junge Motorradfahrer schienen vieles zu erzaehlen zu haben und wir konnten im Austausch von je einem Bericht pro Tag gratis dort naechtigen. Super oder!?!

Und schon am naechsten Tag waren wir umso mehr froh ueber ein so schoenes und ruhiges Hostal, da uns unsere Koerper zwangen einen Gang runter zu schalten.
Vorallem Demian wurde Dauergast auf dem WC ;)
Kopfweh und Uebelkeit trieb uns nicht wirklich raus vor die Tuere. Also hatten wir Zeit und Muse unsere Texte zu verfassen.
Wie sich heraustellte ging es aber nicht nur uns so. Wir vermuten dass es eine Kombination der unterschaetzten Sonneneinwirkung bei der Salzwueste, die geraume Zeit auf ueber 3000 Meter und etwas Ueberanstrengung war.

Jedenfalls sind seither ein paar Tage vergangen und wir geniessen schonwieder unseren Hunger ohne Angst stillen zu koennen :) Vorallem gestern Abend- an Demians Geburtstag- war natuerlich eine gute Parilla angesagt.

Lediglich mein rechter Arm schmerzt seit der barbarisch fiesen Wellblech Piste ums Handgelenk. Wundert mich eigentlich auch nicht wenn da was gezerrt oder angeknackst ist... ;)

So- und morgen gehts los auf eine Strasse die auf der Landkarte mit dem Lineal gezeichnet sein koennte. 800 Kilometer schnur-geradeaus! Durch heisse Pampa. Na das wird was :)










Keine Kommentare: